Einleitung
In Zeiten der Unsicherheit und des geistlichen Umbruchs stellt sich immer wieder eine Frage: Ist Gott noch mit uns? Diese Frage beschäftigte auch das Volk Israel nach dem babylonischen Exil. Die Rückkehr ins Land war erfolgt, der Tempel wurde wieder aufgebaut – und doch fehlte etwas Entscheidendes: die spürbare Gegenwart Gottes. Trotz äußerlicher Wiederherstellung blieb eine geistliche Leere.
In genau diese Situation hinein spricht der Prophet Sacharja. Sein Name allein ist schon eine Predigt: Sacharja bedeutet „Der Herr gedenkt“. Gott erinnert sich – an seine Verheißungen, an seinen Bund, an sein Volk. Aber dieses Erinnern ist kein bloßes Zurückdenken. Es ist ein aktives, heilbringendes Handeln Gottes zugunsten seines Volkes.
Diese Botschaft ist nicht nur historisch. Sie betrifft auch heute Menschen, die sich nach Nähe zu Gott sehnen, aber nicht wissen, wie sie dorthin zurückkehren können. Sacharja 1,1–6 zeigt den Weg.
Vers 1 – Der Herr gedenkt
„Im achten Monat im zweiten Jahr des Darius erging das Wort des HERRN an den Propheten Sacharja, den Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos …“
(Sacharja 1,1)
Im ersten Vers wird uns der Prophet vorgestellt. Wir haben uns angeschaut, dass der Name Sacharja eine Bedeutung hat – und genau diese Bedeutung wurde auch zum Predigttitel: „Der HERR der Heerscharen gedenkt“.
Der Name Sacharja heißt: „Der HERR gedenkt.“ Und wir merken schon an dieser Stelle, wo Gottes Herz dabei ist: Er möchte sich uns zuwenden. Er wird aktiv. Er will zu seinem Volk umkehren.
Das ist die Grundlage dessen, was wir auch für uns anwenden wollen. Gott handelt – und in diesem ersten Vers wird schon deutlich, was seine Haltung gegenüber seinem Volk ist: Er gedenkt.
Vers 2 – Die Erinnerung an das Gericht
„Der HERR ist heftig erzürnt gewesen über eure Väter.“
(Sacharja 1,2)
In Vers 2 richtet Sacharja den Blick zurück in die Vergangenheit. Wir sehen hier, dass Gott heftig erzürnt gewesen ist über die Väter – oder anders übersetzt: Er war mit großem Zorn erzürnt. Das ist keine Kleinigkeit. Wir könnten sagen: Gott war mega-zornig.
Dieser Zorn Gottes hatte Konsequenzen. Wir haben gesehen, dass sich dieser Zorn darin geäußert hat, dass Gott seine Gegenwart aus Jerusalem und aus dem Tempel weggenommen hat. Das war der Grund, warum dieses schreckliche Gericht kam – die Zerstörung durch die Babylonier.
Gottes Zorn war der Grund für die Wegführung, Gottes Zorn war der Grund für die siebzigjährige Gefangenschaft des Volkes.
Daran sehen wir schon etwas Entscheidendes: Der Zorn Gottes ist auf keinen Fall leicht zu nehmen. Wir dürfen das nicht unterschätzen. Letzten Sonntag haben wir es ebenfalls gehört:
Sünde und Sünder können in der Gegenwart eines heiligen Gottes niemals bestehen.
Deshalb hatte Gott Gericht über die Väter gebracht. Das ist die ernste Wahrheit, die uns dieser Vers vor Augen stellt.
Vers 3 – Der zentrale Aufruf zur Umkehr
„So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt um zu mir, spricht der HERR der Heerscharen, so will ich mich zu euch kehren, spricht der HERR der Heerscharen“
(Sacharja 1,3)
Vers 3 ist die zentrale Aussage in diesem Abschnitt. Gott richtet nun – mit dem Blick auf das vergangene Gericht – seine Botschaft an die jetzige Generation. Und diese Botschaft lautet: Kehrt um zu mir, und ich werde mich zu euch kehren.
Wir haben uns gefragt: Was heißt Umkehr eigentlich? Das hebräische Wort dahinter ist schuv – und es bedeutet umkehren, zurückkehren. Es meint nicht nur eine Verhaltensänderung, sondern eine innere Neuausrichtung.
Umkehr bedeutet, dass man sich von bösen Handlungen abwendet – aber nicht nur das. Es geht auch um eine Abkehr von falschen Gedanken und Herzenseinstellungen. Und zugleich: Hinwendung zu Gott selbst.
Das ist das Entscheidende: Gott sagt nicht einfach nur „Kehrt um“ und lässt uns dann in der Ungewissheit, wohin. Nein – er ruft zu sich selbst.
Wir haben das mit einem Beispiel aus der Kindererziehung verglichen: Es reicht nicht, einem Kind zu sagen, was es nicht tun soll – man muss ihm auch zeigen, was es stattdessen tun soll. Genau das tut Gott hier: Kehrt um von euren bösen Wegen – kommt zu mir.
Und dann diese großartige Verheißung: „Ich werde mich zu euch kehren.“
Wir haben betont, dass Umkehr nicht bedeutet, einen langen, beschwerlichen Weg allein zurücklegen zu müssen. Das wäre ein falsches Bild – als müssten wir uns erst über große Distanz mühen, bis Gott uns wieder annimmt.
Nein – in dem Moment, wo wir uns vom Bösen abwenden mit der Absicht, zu Gott zu kommen, da kommt Gott uns entgegen.
Wir haben Jakobus 4,8 zitiert:
„Naht euch zu Gott, so naht er sich zu euch.“
Und wir haben das Gleichnis vom verlorenen Sohn vor Augen gehabt: Der Vater sieht den Sohn und läuft ihm entgegen. So ist Gott.
Gott wartet nicht passiv. Er ist bereit zu vergeben, bereit zu begegnen.
Deshalb: Kehrt um zu mir – und ich werde zu euch umkehren. Das ist Gottes Einladung an sein Volk – damals und heute.
Vers 4 – Warnung vor der Haltung der Väter
„Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten zuriefen und sprachen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt doch um von euren bösen Wegen und von euren bösen Handlungen! Aber sie hörten nicht und achteten nicht auf mich, spricht der HERR.“
(Sacharja 1,4)
In Vers 4 spricht Gott eine sehr ernste Warnung aus: „Seid nicht wie eure Väter …“
Das ist eine direkte Ansprache an die jetzige Generation. Die Väter hatten genau dieselbe Botschaft gehört – die früheren Propheten hatten sie im Auftrag des HERRN aufgefordert: „Kehrt doch um von euren bösen Wegen und von euren bösen Handlungen.“
Doch was war die Reaktion? Sie hörten nicht. „Sie missachteten mich.“ – sagt der HERR.
Gott sagt: „Seid nicht so.“ Und das ist ein ganz wichtiger Punkt für uns heute. Wir müssen in dem Moment hören, wo Gott spricht. Gott macht sein Wort hörbar, er spricht – aber es gibt eine Zeit, in der man reagieren muss.
Das ist nicht irgendwann, nicht später – sondern:
Heute.
Gottes Wort sagt:
„Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht.“ (Hebräer 3,7)
Nicht morgen,
nicht übermorgen,
nicht am nächsten Wochenende, wenn vielleicht mehr Zeit ist – heute.
Gott spricht in diesem Vers durch Sacharja zu einem Volk, das sich fragte: „Wo ist denn unser Gott?“ – sie sahen nichts, sie spürten nichts. Aber hier macht Gott deutlich:
Die Väter haben nicht gehört – ihr sollt es anders machen.
Diese Dringlichkeit ist zentral: Wenn Gott spricht, dann höre – jetzt.
In Vers 5 fragt Gott durch den Propheten:
„Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten – leben sie ewig?“
Wir haben uns diese Frage genau angeschaut. Wo waren die Väter damals? Die Antwort ist klar: Sie sind gestorben, viele wahrscheinlich in Babylon. Und auch die Propheten – wie Jeremia, die mit großer Deutlichkeit gewarnt hatten – sie lebten nicht mehr.
Das führt uns zu einer wichtigen Erkenntnis:
Es gibt eine Zeit, wo Gott seine Stimme hörbar für uns macht.
Und dann gilt es, in dieser Zeit zu hören – bevor es zu spät ist oder sein kann.
Wir haben betont, wie ernst dieser Gedanke ist. Deshalb haben wir nochmals auf Gottes Wort hingewiesen, das sagt:
„Heute, wenn du seine Stimme hörst …“
Diese Stimme ruft zur Umkehr. Und diese Umkehr darf nicht aufgeschoben werden. Nicht irgendwann, nicht wenn es besser passt, sondern jetzt.
Das ist die Botschaft, die uns dieser Vers mitgibt: Die Menschen vergehen – Gottes Wort aber bleibt. Und wenn Gott spricht, dann gilt es, jetzt zu antworten.
Vers 6 – Gottes Wort trifft ein
„Doch meine Worte und meine Beschlüsse, die ich meinen Knechten, den Propheten, geboten hatte – haben sie eure Väter nicht getroffen?“
(Sacharja 1,6)
Hier wird deutlich: Die Väter sind vergangen, auch die Propheten leben nicht mehr – aber Gottes Wort steht. Und sein Gerichtswort hat sich erfüllt. Die Menschen zur Zeit Sacharjas konnten das mit eigenen Augen sehen. Wenn sie sich in Jerusalem umschauten, sahen sie die Spuren des Gerichtes.
Und dann heißt es weiter in Vers 6:
„Und sie kehrten um und sprachen: So wie der HERR der Heerscharen vorhatte, uns nach unseren Wegen und nach unseren Handlungen zu tun, so hat er mit uns getan.“
Ich lese das so, dass die Menschen damals auf das Wort Sacharjas gehört haben. Sie erkannten an, dass das, was geschehen war, gerecht und richtig war.
Diese Umkehr ereignete sich in einer ganz bestimmten Zeit – nämlich genau dann, als sie mit dem Wiederaufbau des Tempels beschäftigt waren. Das war der Ort, an dem später im Allerheiligsten am großen Versöhnungstag Sühnung für die Sünden des Volkes geschehen sollte.
Gott bereitet sein Volk darauf vor, indem er sie zu sich ruft, damit er wieder bei ihnen sein kann. Und wir haben das im größeren Zusammenhang gesehen – denn ganz am Anfang der Predigt haben wir aus der Offenbarung gelesen: Gott wird mitten unter seinem Volk wohnen. Sein Wort wird erfüllt werden.
Abschliessende Gedanken:
Wir haben uns dann die Frage gestellt:
Wie ist das heute mit der Gegenwart Gottes?
Wie ist es bei uns – ganz persönlich, aber auch als Gemeinde?
Erleben wir diese Gegenwart Gottes so, wie man eine hell leuchtende Fackel sehen würde? Oder leben wir vielleicht eher in Tagen der kleinen Dinge? Wie gehen wir damit um? Werden wir frustriert? Passen wir uns der Welt an? Oder nehmen wir Gottes Zuspruch und seinen Aufruf zur Umkehr ernst – gemeinsam mit seinem Angebot, wieder in unserer Mitte zu sein?
Deshalb rufe ich uns zu: Lasst uns umkehren. Lasst uns zu unserem himmlischen Vater kommen. Zur Zeit Sacharjas war es notwendig, dass Blut von Lämmern vergossen wurde, damit am großen Versöhnungstag Sühnung geschehen konnte. Und nachdem der Tempel fertiggestellt war, wurde dieser Versöhnungstag wieder gefeiert. Dieses Blut hat dann für ein Jahr die Gegenwart Gottes im Volk gesichert. Aber wir wissen aus dem Neuen Testament:Das war nur ein Symbol.
Denn es ist unmöglich, dass das Blut von Lämmern wirklich Sünde wegnimmt. Die wahre und bleibende Grundlage für die Gegenwart Gottes bei seinem Volk ist erst seit dem Kommen dessen vorhanden, der der wahre Messias, das Lamm Gottes, ist – Jesus Christus. Er hat die Sünde der Welt weggenommen.
Darum ist es auch so verständlich, dass der Messias im Buch Sacharja so prominent dargestellt ist. Er allein ist die Hoffnung, dass Gottes Gegenwart bei einem unvollkommenen Volk möglich ist – damals und heute. Deshalb haben wir es deutlich gesagt:
Nur durch Christus, durch seinen Sühnetod am Kreuz, durch sein vergossenes Blut, kann die Gegenwart Gottes bei uns dauerhaft bestehen.
Lasst uns also umkehren. Lasst uns zu Gott kommen. Lasst uns erleben, wie er auf uns zukommt – voller Liebe, voller Freude, bereit, uns zu begegnen.
Denn Gott spricht:
„Kehrt um zu mir, und ich werde mich zu euch kehren.“ (Sacharja 1,3)